Urteilsbesprechungen

Bei Kauf von gefangenem Grundstück nicht auf Notwegrecht verlassen!

Ein Grundstückseigentümer darf seine PKW nicht in der auf seinem Grund stehenden, öffentlich-rechtlich genehmigten Garage abstellen, obwohl die über ein fremdes Grundstück führende nötige Zuwegung durch eine Baulast abgesichert worden ist. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 19. 11. 2021 ausgeurteilt (Az.: V ZR 262/20).

Er bestätigte damit die Rechtsauffassung der beiden Vorinstanzen. Der Grundstückseigentümer hatte seinen Nachbarn, über dessen Grund die baulastgesicherte Zuwegung zur Garage lief, auf Einräumung eines Notwegrechts nach § 917 BGB in Anspruch nehmen wollen. Diese Norm verpflichtet Nachbarn zur Duldung eines solchen Rechts, wenn einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege fehlt. Für die Duldung ist dann eine Geldrente zu zahlen. Hier lag das nur Wohnzwecken dienende Grundstück zwar an einer öffentlichen Straße, aber die Garagen waren nicht von dort, sondern nur über das Nachbargrundstück zu erreichen (so jedenfalls musste der BGH den Sachverhalt revisionsrechtlich annehmen). Für sein offenbar "hochwertiges Fahrzeug" (O-Ton BGH) wünschte der Grundeigentümer aber die Unterstellung in der Garage.

Damit über fremdes Eigentum gefahren werden kann, benötigt man eine Erlaubnis des Eigentümers oder ein Recht, dass auch gegen den Willen des Eigentümers die Nutzung gestattet. Ein Anspruch aus § 917 BGB kommt dabei nur als letzter Ausweg in Betracht. Und dessen Voraussetzungen werden eng verstanden. Die zentrale Frage war hier, ob das Parken von PKW auf dem eigenen Grund als "ordnungsgemäße Benutzung" zu werten war. Das hatte der BGH schon früher verneint. Mit dem Argument, dass es reiche, wenn man ein Wohngrundstück anfahren könne, um es dann zu Fuß zu betreten. Hier war die Besonderheit, dass die Zuwegung zur Garage aber durch eine Baulast abgesichert und die Garage selbst auch baurechtlich genehmigt war. Allerdings: eine Baulast stellt nur eine öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkung gegenüber dem Rechtsträger der Baubehörde dar. Der Eigentümer des öffentlich-rechtlich begünstigten Grundstücks kann daraus privatrechtlich daher kein Kapital schlagen. Die öffentlich-rechtliche Baulast war damit nicht hinreichend, zugleich ein privatrechtliches Notwegrecht zu begründen.

Der Fall selbst schildert ein Luxusproblem. Aber auch für viel zentralere Zuwegungsbedürfnisse gelten die strengen Voraussetzungen des § 917 BGB. Im Zuge der immer weiter um sich greifenden Nachverdichtung sind Grundstücksteilungen in Ballungsgebieten an der Tagesordnung. Private Bauherren dürfen sich dann bei so genannten gefangenen Grundstücken nie darauf verlassen, im Zweifel nach dem Ankauf schon irgendwie ein Notwegrecht zu bekommen - nicht nur für die eigene Zuwegung zu Fuß. Auch die nötigen Leitungen für Wasser, Abwasser, Wärmeenergie, Strom und Telekommunikation müssen mitunter über Nachbargrund geführt werden (wobei es dafür einige Spezialvorschriften bzgl. Duldungsrechten gibt).

Verlassen darf man sich dabei wie vom BGH hier entschieden weder auf öffentlich-rechtliche Genehmigungen und Baulasten, die ohnehin benötigt werden, damit das eigene Projekt verwirklicht werden kann. Aber auch nicht auf die freundliche Gestattung des aktuellen Nachbarn, selbst wenn er sich auf eine vertragliche Festlegung einlässt. Denn der kann schnell wechseln - und den neuen Eigentümer binden dessen Zusagen nicht, es sei denn, diese sind extra per Kaufvertrag mit übergegangen. Und auch die Behauptung der Verkäufer, es bestehe ein entsprechendes Notwegrecht, hilft im Fall eines Falles nicht weiter. Denn das Notwegrecht als solches ist nicht im Grundbuch eintragungsfähig.

Nur wenn dort entsprechende Grunddienstbarkeiten eingetragen sind, besteht ein durchsetzbarer Anspruch auch gegenüber den Erben oder sonstigen Rechtnachfolgern des aktuellen Grundstücksnachbarn. Daher sind bei gefangenen Grundstücken vor den Erwerbsverhandlungen immer erst die Zuwegerechte im Grundbuch genau unter die Lupe nehmen. Ggf. muss der Verkäufer, der oft Eigentümer beider Grundstücke ist, da noch grundbuchlich nachbessern.

OLG Schleswig erleichtert Werklohnklagen bei fiktiver Abnahme

Das OLG Schleswig hat mit Urteil vom 10. 12 2021 zum Aktenzeichen 1 U 64/20 die Voraussetzungen für eine fiktive Abnahme nach § 640 Abs. 2 BGB niedrig angesetzt und so einer Werklohnklage eines unstreitig mangelhaft leistenden Unternehmers weitgehend stattgegeben.

Soweit hier von Interesse, beauftragte ein Verbraucher einen Unternehmer mit Malerarbeiten. Dabei rügte er im Verlauf und am Ende der Arbeiten mehrfach Mängel. Eine Abnahme der Arbeiten fand nicht statt. Der Unternehmer verlangte dann per Brief vom Verbraucher, er möge ihm die Durchführung der Mängelbeseitigungsarbeiten binnen 10 Tagen nach Zugang des Schreibens ermöglichen und solle dazu Termine nennen. Zudem forderte er den Verbraucher auf, ebenfalls binnen 10 Tagen nach Zugang des Schreibens die Abnahme zu erklären. Er wies in dem Schreiben auch auf die Folgen einer nicht erklärten oder ohne Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme hin. Die Frist verstrich, ohne dass irgendetwas geschah. Später klagte der Unternehmer seinen Werklohn ein, den ihm das Gericht - unter Berücksichtigung gerichtsgutachterlich festgestellter Mängel - zusprach.

Obwohl keine Abnahme vorlag, sah das OLG die Fälligkeit des Werklohnes als gegeben an. Die Abnahme sei durch das Gesetz fingiert worden, weil der Verbraucher auf das Schreiben nicht mehr reagiert habe. Die Abnahme wird dann fingiert, wenn nach Fertigstellung des Werks der Unternehmer eine angemessene Frist zur Abnahme setzt und der Bauherr diese Abnahme nicht innerhalb dieser Frist verweigert und dabei mindestens einen Mangel nennt. Das Besondere liegt darin, dass dabei seit 2018 egal ist, ob das Werk überhaupt abnahmereif hergestellt worden ist. Es kann also durchaus wesentliche Mängel haben. Darunter fallen auch sicherheitsrelevante Umstände wie fehlende Absturzsicherungsgeländer!

Weil die fiktive Abnahme so scharf ist, müssen Verbraucher-Bauherren auf die Folgen zusammen mit der Aufforderung vom Unternehmer in Textform hingewiesen werden. Daran fehlt es mitunter, hier aber war der Hinweis erfolgt.

Private Bauherren können die fiktive Abnahme aber auch dadurch zerstören, dass vor Ablauf der Frist mindestens ein Mangel am Werk gerügt wird. Hier lag ein zentrales Problem des Falles, wegen dessen das OLG auch die Revision zum BGH zur Klärung der Rechtsfrage zugelassen hat. Denn der Verbraucher hatte ja immer wieder und noch am Ende der Arbeiten gegenüber dem Unternehmer Mängel gerügt. Würde nicht die erneute Wiederholung dieser Mängelrügen nur wegen des Schreibens mit der Abnahmeaufforderung eine bloße Förmelei darstellen? Anders: reichen auch vor Abnahmeaufforderung gemachte Mängelrügen aus, um die Fiktion zu zerstören?

Das OLG entschied sich dagegen. Denn eine frühere Mängelrüge könne auch einfach durch erfolgte Beseitigung gegenstandslos geworden sein. Das Ziel der 2018 erfolgten Schärfung der fiktiven Abnahme sei auch, im späteren Prozess nicht mit der Frage belastet zu sein, ob ein abnahmereifes Werk vorgelegen habe. Es diene der Klarstellung, wenn in jedem Fall auf die fristgebundene Abnahmeaufforderung mit Mängelrügen zu reagieren sei, auch wenn diese vorher schon mal erfolgt seien.

Private Bauherren müssen daher in jedem Fall die Aufforderung des Unternehmers, sein Werk abzunehmen, ernst nehmen. Setzt der Unternehmer zudem eine Frist und belehrt dabei auch noch in Textform über die Folgen der nicht erklärten oder ohne Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme, dann sollten Verbraucher schon sicherheitshalber nicht nur einen, sondern alle bereits angezeigten, aber noch nicht beseitigten Mängel erneut gegenüber dem Unternehmer rügen, um so der fiktiven Abnahme zu entgehen.

Wer das verpasst, hat allerdings dann noch einen Trumpf im Ärmel, wenn er nachweisen kann, dass dem Unternehmer selbst erhebliche Mängel an seinem Werk bekannt gewesen sind. Denn wenn dem Unternehmer bekannt ist, dass der Auftraggeber nicht zur Abnahme verpflichtet ist, wäre eine fiktive Abnahme nicht gerechtfertigt und die Berufung des Unternehmers auf diese rechtsmissbräuchlich, so das Gericht.

Das lässt sich durch eine baubegleitende Qualitätskontrolle mit einen vom Bauherren beauftragten Sachverständigen bewerkstelligen, dessen Feststellungen über den Bauzustand der Bauherr dem Bauunternehmer dann jeweils mitteilt. Allerdings müssen in diesen Feststellungen erhebliche Mängel enthalten sein. Besser ist es also auch bei eigener sachverständiger Baubegleitung nach Abnahmeaufforderung sämtliche fortbestehenden Mängel nochmals zu rügen. Denn für die Zerstörung der Fiktion reicht jedweder Mangel aus.

Länder dürfen gesetzliche Duldungspflicht für nachträgliche Wärmedämmung anordnen, die auf Nachbargrundstücke reicht

Das entschied der 5. Zivilsenat des BGH am 12. 11. 2021 zum Aktenzeichen V ZR 115/20.

Ein Hauseigentümer in Nordrhein-Westfalen, dessen älteres Mehrfamilienhaus mit einer Giebelwand an der Grenze zum Nachbargrundstück lag, wollte dieses energetisch ertüchtigen. Eine Innendämmung konnte aber nicht mit vertretbarem Aufwand erstellt werden. Der Hauseigentümer wollte daher an der Giebelwand auf einem Streifen von 25cm Tiefe über dem Nachbargrundstück dämmen lassen. Das Nachbargebäude lag 5m von der Grenze entfernt. Unter Beachtung der weiteren Voraussetzungen des einschlägigen § 23a Abs. 1 NachbarG NRW verlangte er die Duldung dieses Überbaus durch den Nachbarn. Der verweigerte sie. Für den via Revision mit dem Fall befassten BGH kam es nur noch darauf an, ob das Land so eine Regel überhaupt erlassen darf - oder ob der Bund nicht schon mit § 912 BGB eine abschließende Regelung zum Überbau erlassen hat, die den Erlass weiterer Ländergesetze in diesem Bereich sperrt.

Das hat der BGH verneint. Da er damit § 23a Abs. 1 NachbarG NRW nicht für verfassungswidrig gehalten hat, durfte er auch selbst entscheiden. Andernfalls hätte er diese Frage vom Bundesverfassungsgericht klären lassen müssen.

Das Urteil des BGH stärkt sanierungswillige Bauherren, die ihre Bestandsimmobilien trotz ungünstiger Randbedingungen energetisch modernisieren wollen.

Klimaschutz, Energieeinsparung und Heizkostensenkung sind immer zentraler werdende Aspekte des Wohnens. Vor allem bei älteren Bestandsbauten, die dicht oder sogar direkt an der Grundstücksgrenze errichtet sind, können freistehende Außenmauern nur dann nachträglich mit einer Dämmschicht versehen werden, wenn diese nicht innen, sondern außen angebracht wird. Das aber kollidiert mit dem Grundeigentumsrecht des Nachbarn, auf dessen Grundstück sich die Dämmung dann letztlich ganz oder in Teilen befindet.

Viele Bundesländer (§ 7c NRG Baden-Württemberg; Art. 46a BayAGBGB; § 16a NachbarG Berlin; § 19a NRG Brandenburg; § 24a AGBGB Bremen; § 74a BauO Hamburg; § 10a NachbarG Hessen; § 21a NachbarG Niedersachsen; § 23a NachbarG NRW; § 19a NachbarG Saarland; § 14a NRG Thüringen) haben aus Klimaschutzgründen daher gesetzliche Regelungen erlassen, nach denen ein Überbau zu solchen Zwecken zu dulden ist - unter bestimmten Voraussetzungen. Wenn keine Innendämmung zu vertretbarem Aufwand möglich ist, keine Luxusdämmung angebracht werden soll, der beanspruchte Teil des Nachbargrundstück unwesentlich ist, dessen Nutzung dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt ist, zudem oft nach Zahlung eines finanziellen Ausgleichs oder einer Geldrente, dann soll die Energieeinsparung Vorrang vor dem Eigentumsrecht des Nachbarn haben.

Solange nicht das Bundesverfassunggericht einmal anders entscheiden sollte, können Bauherren also weiter auf ihre Rechte aus diesen landesrechtlichen Vorschriften pochen. Grenzständige Bestandsbauten bleiben damit weiter sanierungsfähig.

Sanierungsstau in Wohneigentumsanlage kann am Ende teuer kommen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 15. 10. 2021 zum Aktenzeichen V ZR 225/20 unter anderem entschieden, dass selbst ein ganz erheblicher Sanierungsstau des Gemeinschaftseigentums grundsätzlich von der Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung beseitigt werden muss, weil ein Sanierungsstau keine "Zerstörung" des Gebäudes im Sinne des § 22 WEG sei und diese Norm auch nicht analog auf den Sanierungsstau Anwendung findet.

Ein recht marodes Parkhaus wurde nur noch von einem Teileigentümer, der ein Sondereigentum in den unteren Ebenen hatte, genutzt. Die Bauaufsicht verlangte nach einer Begehung Nachweise für die Brandsicherheit des Gebäudes. Die anderen Teileigentümer beschlossen daraufhin - soweit hier von Interesse - mehrheitlich, dass das Gemeinschaftseigentum insg. nicht mehr genutzt werden solle. Dem unteren Teileigentümer wurde gestattet, auf eigene Kosten Nachweise und ggf. Gebäudeertüchtigung auszuführen; für diesen Fall dürfe er dann die unteren Ebenen wieder nutzen.

Gegen diesen Beschluss klagte der untere Teileigentümer, er unterlag bei AG und LG, das die Revision zum BGH zuließ. Denn entscheidend war auch eine seit langem umstrittene Rechtsfrage, die der BGH nun geklärt hat. Die den Beschluss tragenden Mehrheitseigentümer beriefen sich nämlich unter anderem darauf, dass das Parkhaus so marode sei, dass seine Sanierung sogar teurer wäre als sein Verkaufswert im sanierten Zustand. Für solche Fälle sei § 22 WEG gemacht. Der lautet: "Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht beschlossen oder verlangt werden."

§ 22 WEG ist eine Ausnahme vom Grundsatz, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft das Gemeinschaftseigentum soweit instand zu halten hat, dass sein Zustand gesetzesgemäß ist und es gefahrlos genutzt werden kann. Jeder Miteigentümer hat einen Anspruch darauf, dass dies passiert. Der BGH stellt nun klar, dass die Eigentümergemeinschaft sich darum auch nicht drücken kann, indem sie statt zu sanieren einfach die Nutzung der entsprechenden gefährlichen Bereiche des Gemeinschaftseigentums untersagt, jedenfalls wenn die Untersagung auf Dauer gedacht ist und die Nutzung von Sondereigentum damit erheblich beeinträchtigt oder - wie hier - sogar komplett ausgeschlossen ist.

Der § 22 WEG als Ausnahme davon griff hier nicht ein, so der BGH. Denn der schlechte Zustand eines Gebäudes, der durch unterlassene Instandhaltungen sich über Jahre bildet, ist keine Zerstörung, die ein singuläres Ereignis wie z. B. einen Hochwasserschaden voraussetzt. Auch eine analoge Anwendung sei mangels Regelungslücke ausgeschlossen.

Das Urteil stärkt die Position von Wohnungseigentümern, denen an der Pflege ihrer Immobilie gelegen ist. Denn jedenfalls in den Fällen, wo der Sanierungsstau schon so weit ist, dass im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums gehandelt werden muss, kann die unwillige Mehrheit der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht einfach die unwirtschaftliche Höhe der Sanierungskosten entgegenhalten. Ein Verfallenlassen der Anlage, eine substanzaufzehrende Nutzung ohne Pflege, ist damit am Ende sogar die teurere Lösung. Denn saniert werden muss dann am Ende trotzdem.

Erwerber von Wohnungseigentum sind also gut beraten, ihr Gemeinschaftseigentum ständig zu pflegen und zusätzlich entsprechende Rücklagen für die Instandsetzung zu bilden. Welche Maßnahmen zustandsbedingt anstehen und welche absehbar im Lauf der Jahre auf die Gemeinschaft zukommen werden, kann dafür ein Bausachverständiger ermitteln. Ebenso kann er Vorschläge für sinnvolle Modernisierungen entwickeln. Mit diesem Wissen kann die Gemeinschaft auf eine Sicht planen, die dem Lebenszyklus von Immobilien entspricht und ihren Wert erhält oder gar steigert.

Mängelbeseitigung kann verantwortlicher Unternehmer nicht an Kostenübernahmeversprechen binden!

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 2. Sept. 2010 zum Aktenzeichen VII ZR 110/09 klargestellt, dass ein Bauunternehmer nach der Abnahme auf eine Mängelrüge seines Bauherren sein Tätigwerden nicht davon abhängig machen darf, dass ihm der Bauherr vorab die Übernahme von Kosten zusichert, falls er für den gerügten Mangel nicht verantwortlich sein sollte, wenn er tatsächlich für den Mangel verantwortlich ist. In so einem Fall risikiert der Unternehmer, dass er auch noch für alle in Folge seines Nichtstuns weiter entstehenden Schäden haftet.

Ein Installateur hatte Arbeiten an Wasserleitungen des Bauherren durchgeführt. Nach Abnahme wurde eine feuchte Wand festgestellt und dieses Mangelsymptom beim Unternehmer gerügt. Dieser kündigte an, den Schaden untersuchen zu wollen und fügte hinzu: "Sollte sich allerdings bei der Prüfung des von Ihnen angezeigten Mangels herausstellen, dass dieser nicht auf unsere Leistung zurückzuführen ist, oder aber seine Ursache im normalen Verschleiß bzw. in normaler Abnutzung hat, müssen wir im Hinblick auf die von uns dann aufgewendeten Kosten diese Arbeiten als Reparaturauftrag behandeln. Die in diesem Fall entstehenden Kosten für An- und Abfahrt, Fehlersuche und Freilegung der Schadstelle, Mängelbeseitigung, Wiederherstellung, Materialkosten, Kosten für Nebenleistungen müssen wir Ihnen dann berechnen ... Sollten Sie mit dieser Regelung einverstanden sein, senden Sie uns bitte die Durchschrift dieses Schreibens unterschrieben zurück." (Zitiert nach: BGH VII ZR 110/09, Rz. 3). Das tat der Bauherr nicht, die Sache blieb erst einmal liegen. Bis dann etwas später etwa 5.000 Liter Wasser ausliefen und der Schaden entsprechend groß war (knapp 50.000 Euro). Die Untersuchung ergab, dass der Installateur ein Fitting nicht verlötet hatte und dort das Wasser ausgetreten war. Er war also tatsächlich für den Mangel und den Schaden verantwortlich.

Der Unternehmer bestritt allerdings vor Gericht seine volle Einstandspflicht und verwies darauf, der Bauherr sei seiner Obliegenheit, eine Vergrößerung des Schadens zu verhindern, nicht nachgekommen. Anders formuliert: ihn träfe ein Mitverschulden. Nach Unterzeichung der Kostenübernahmeerklärung durch den Bauherren wäre der Unternehmer nämlich noch rechtzeitig erschienen, um den Mangel zu entdecken und zu beheben, ohne dass der große Wasserschaden aufgetreten wäre. Einen Großteil der Kosten müsse er daher gar nicht tragen. Dem folgte der BGH nicht. Seine Position formuliert er in den amtlichen Leitsätzen:
Leitsatz Nr. 2 lautet: Der in Anspruch genommene Auftragnehmer darf Maßnahmen zur Mängelbeseitigung nicht davon abhängig machen, dass der Auftraggeber eine Erklärung abgibt, wonach er die Kosten der Untersuchung und weiterer Maßnahmen für den Fall übernimmt, dass der Auftragnehmer nicht für den Mangel verantwortlich ist.

Leitsatz Nr. 3 lautet: Den Auftraggeber trifft deshalb kein Mitverschulden an einem Wasserschaden, der auf einem Mangel beruht, den der Unternehmer nicht beseitigt hat, weil der Auftraggeber eine entsprechende Erklärung nicht abgegeben hat.

Der Unternehmer musste daher den vollen Schaden bezahlen.

In der Praxis tun Unternehmer also nicht nur zwecks Kundenzufriedenheit, sondern im wohlverstandenen wirtschaftlichen Eigeninteresse gut daran, auf Mängelrügen zeitig zu reagieren und wenigstens ihre Einstandspflicht zu prüfen. Dennoch werden in der Praxis immer wieder solche Kostenübernahmeformulare vorgelegt. Die Reaktionsmöglichkeiten des Bauherren darauf sind trotz der BGH-Entscheidung komplexer. Denn der BGH hatte nur die Frage zu entscheiden, ob nach Abnahme die volle Haftung für den Mangel beim tatsächlich verantwortlichen Unternehmer verbleibt. Nicht geklärt ist damit die weitere Frage, wer denn nach Abnahme die Kosten für Untersuchung der Ursache, womöglich Beseitigung des Mangels und der anschließenden Wiederherstellung des vorherigen Bauzustands trägt, wenn bei der Mängelrüge weder Bauherr noch Unternehmer wissen, ob der Unternehmer einstandspflichtig ist und sich dann herausstellt, dass nicht. Das ist unter Juristen umstritten. Vertreten wird vieles. Das OLG Celle hatte zum Beispiel 2002 einen Anspruch des Unternehmers bejaht, weil der Bauherr sich mit der verlangten Kostenübernahme einverstanden erklärt hatte. Das sei ein eigenständiger entgeltpflichtiger Reparaturvertrag (OLG Celle, Urteil v. 8. Mai 2002 zum Aktenzeichen 7 U 47/00). Die Instanzgerichte entscheiden zu nicht immer ganz vergleichbaren Fällen mit unterschiedlichen Begründungen unterschiedlich. Wird nichts unterschrieben, wollen manche Juristen den Unternehmer die Kosten der Untersuchung tragen lassen, bis er seine fehlende Einstandspflicht geklärt hat. Aufräumen muss er dann aber nicht mehr. Andere wollen ihn aber auch diese Kosten tragen lassen. Was also kann ein privater Bauherr tun, wenn nach Abnahme ein Mangelsymptom auftritt und er nicht sicher weiß, was die Ursache sein kann? Zunächst muss die eigene Verursachung ausgeschlossen werden. Kommt das Wasser im Keller aus dem Waschmaschinenschlauch, waren es die spielenden Kinder? Wenn solche für einen Baulaien einfach prüfbaren Möglichkeiten ausscheiden, ist eine Mängelanzeige fällig. Diese sollte an den verantwortlichen Unternehmer gehen. Hier wirkt sich vorteilhaft aus, wenn man mit einem Generalunternehmer (der womöglich das Haus auch geplant hat) gebaut hat: dieser ist für die gesamte Bauleistung verantwortlich und muss selbst mit der Frage umgehen, welcher seiner Nachunternehmer denn den Mangel nun verursacht hat. Ansonsten kann man den Mangel allen möglicher Weise verantwortlichen Unternehmern anzeigen und sie auf die offene Frage der Verantwortlichkeit hinweisen. Reagiert dann keiner, ist es spätestens Zeit, einen eigenen Sachverständigen mit der Erkundung von Ursache und Umfang möglicher Mängel, auf die das Mangelsymptom deutet, zu beauftragen. Dessen Kosten sind dann Mangelfolgeschäden, die derjenige Unternehmer zu tragen hat, der für den Mangel verantwortlich ist (z. B. BGH Urteil v. 13. Sept. 2001 zum Az. VII ZR 392/00 u. a.). Auch darauf kann man in der Mangelanzeige schon hinweisen. Legt einer der Unternehmer eine Kostenübernahmeerklärung wie im BGH-Fall vor, sollte man sich des Risikos bewusst sein, dass bei Unterzeichnung darin ein Rechtsgrund für die Kostenübernahme gesehen werden könnte und weiterer Streit droht. Auf jeden Fall sollte nicht gleich auch eine Erklärung abgegeben werden, die auch eine Reparatur beauftragt. Denn oft sind noch nicht die Voraussetzungen für eine Selbstvornahme gegeben. Darunter versteht man das Recht des Bauherren, nach Mängelrüge und erfolglosem Ablauf einer gesetzten angemessenen Nachbesserungsfrist gegenüber dem verantwortlichen Unternehmer, den Mangel selbst zu beseitigen und von ihm die dafür verauslagten Kosten erstattet zu verlangen. Außerdem möchte niemand von einem Verputzerbetrieb seine Wasserleitungen zusammenflicken lassen. Besser verschafft man sich erst einmal einen Überblick über die Lage mit Hilfe eines unabhängigen Bausachverständigen.

Sichere Minimierung der Schadstoffbelastung im eigenen Haus setzt vertragliche Vereinbarungen voraus

Die in der Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VwV TB) des Landes Baden-Württemberg geregelten Grenzwerte für VOC-Emissionen aus Span- und OSB (Grobspan-)-Platten sind unwirksam. Das hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 7.10.2020 zum Aktenzeichen 8 S 2959/18 entschieden. Zur Begründung verwies das Gericht darauf, dass die Landesbauordnung technische Baubestimmungen nur zur Gefahrenabwehr erlaube. Die strittigen VOC-Grenzwerte dienten jedoch allein zur Vorsorge. Das Urteil ist bundesweit von Bedeutung, da die angegriffenen Regelungen auch in anderen Bundesländern verankert sind.

VOC - volatile organic compounds, zu Deutsch flüchtige organische Verbindungen - sind eine ganze Palette von Stoffen, die auch natürlichen Ursprungs sein können. Sie sind auch in Bauprodukten enthalten und gelangen von dort aus zu den Menschen im Haus. Das Umweltbundesamt führt zu den Auswirkungen auf die Gesundheit aus: „Konzentrationen, die gesundheitliche Beeinträchtigungen bewirken, können unmittelbar nach Bau- und umfangreichen Renovierungsmaßnahmen auftreten, sowie bei unsachgemäßer Verarbeitung und massivem Einsatz wenig geeigneter Produkte." Die Verwendung einzelner VOC, deren Gesundheitsschädlichkeit geklärt ist, ist verboten. Aber bei der Fülle an einzelnen VOC bleibt ein großer Rest mit (noch) ungeklärter Wirkung auf die menschliche Gesundheit.

Der baden-württembergische Vorschriftengeber, das zuständige Landesministerium, hatte mit Blick auf dieses ungeklärte Risiko die Grenzwerte für VOC in Span- und OSB-Platten in seine Verwaltungsvorschrift für technische Baubestimmungen aufgenommen. Nach § 73a Absatz 1 LBO BW sind die technischen Baubestimmungen zu beachten, also rechtlich verbindlich.
Allerdings bestimmt § 73a LBO BW auch: Die Anforderungen nach § 3 Absatz 1 Satz 1 können durch technische Baubestimmungen konkretisiert werden. Und § 3 Absatz 1 Satz 1 LBO BW verlangt vor allem, dass u. a. bauliche Anlagen so anzuordnen und zu errichten sind, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht bedroht werden und dass sie ihrem Zweck entsprechend ohne Missstände benutzbar sind.

Der VGH Baden-Württemberg schloss daraus, dass technische Bestimmungen nur dann verbindlich Grenzwerte vorgeben können, wenn sie insbesondere eine Gefahr für die Gesundheit bei Bau oder Nutzung eines Hauses abwehren. Bei VOC im Allgemeinen sei aber so eine Gefahr zwar möglich, aber eben nicht ausreichend wissenschaftlich bewiesen, dass sie hinreichend wahrscheinlich eintreten werde. Statt einer Gefahr habe mit den Grenzwerten "Gefahrenvorsorge" (Rz. 50) betrieben werden sollen, weil VOC jenseits dieser Menge "Besorgnispotential" (Rz. 51) hätten. Formelhaft verkürzt: ein solches Risiko ist nicht ausreichend für eine Bedrohung, wie sie § 3 Absatz 1 Satz 1 LBO BW verlangt.
Diese Rechtsprechung hat Bedeutung über Baden-Württemberg hinaus. Denn das Landesrecht hat in diesem Punkt Mustervorschriften der Bundesbauministerkonferenz übernommen. Es ist gut möglich, dass die Spanplattenhersteller des Ausgangsverfahrens oder andere nun auch in anderen Bundesländern gegen solche Grenzwerte vorgehen oder die dortigen Behörden die entsprechenden Vorschriften von sich aus anpassen.

VPB-Fazit: Die aktuelle Rechtsprechung hat für Verbraucherbauherren Auswirkungen. Wer großen Wert auf gesunde Baustoffe und ein gesundes Wohnklima legt, wer über eine besonders sensible Gesundheit verfügt, der kann sich nicht vollumfänglich darauf verlassen, dass die bauordnungsrechtlichen Anforderungen ihn automatisch vor allen Risiken vor Schadstoffen in und aus neu hergestellten Bauprodukten schützen. Hier müssen private Bauherren selbst tätig werden und weitergehende Anforderungen an alle Baustoffe, die zur Verwendung kommen dürfen, im gewünschten Umfang vertraglich fest vereinbaren. Auch dazu notwendige Dokumentationen und Überprüfungen durch neutrale Dritte sollte der Vertrag ins Pflichtenprogramm aufnehmen. So kann eine individuell passende Gefahrenvorsorge für den Neubau verwirklicht werden.

Erwerb von Wohnungseigentum - Keine Reduzierung der Grunderwerbssteuer durch Anteil an der Instandhaltungsrücklage

Bei Erwerb von Teileigentum berechnet sich die zu entrichtende Grunderwerbsteuer nach dem Kaufpreis. Davon darf der Anteil des Erwerbers für die Instandhaltungsrücklage der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht abgezogen werden. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 16. September 2020 zum Az. II R 49/17 entschieden

Ein Käufer erwarb u. a. mehrere Teileigentumseinheiten eines Objektes mit notariellem Kaufvertrag. Soweit hier von Interesse, sah der Vertrag einen Kaufpreis von 40.000 Euro vor und bestimmte, dass der Anteil des Verkäufers u. a. an der Instandhaltungsrücklage mit Besitzerwerb auf den Käufer überginge. Dieser betrug nach Angaben des Käufers knapp 15.000 Euro. Das Finanzamt erhob Grunderwerbsteuer auf den Kaufpreis. Der Erwerber meinte, die Steuer müsse auf den Kaufpreis abzüglich des Preises für den Anteil an der Instandhaltungsrücklage berechnet werden. Das Finanzgericht (FG) gab dem Finanzamt (FA) Recht. Die Revision zum BFH bestätigte die Rechtsauffassung des FG.

Die Grunderwerbsteuer ist in manchen Bundesländern schon auf 6,5 Prozent geklettert. Und die Erwerbspreise in Ballungsräumen steigen, so dass auch 3,5 Prozent Grunderwerbsteuer eine merkbare Belastung bei der Finanzierung des Eigentumserwerbs ist. Ausgehend von einer Rechtsprechung des BFH bereits aus dem Jahr 1991 etablierte sich eine Praxis, nach der für Anteile an der Instandhaltungsrücklage der Wohnungseigentümergemeinschaft ein gesonderter Kaufpreisanteil ausgewiesen wurde. Diesen zog dann das FA bei der Berechnung der Grunderwerbsteuer vom Kaufpreis ab.

Seit den 1990er Jahren hat sich die Rechtsauffassung zur Rechtsnatur der Wohnungseigentümergemeinschaft sehr gewandelt, und auch das WEG-Recht ist 2007 etwas und 2020 sogar in allerhand Punkten grundlegend reformiert worden. Schon 2016 war umstritten, ob an der Rechtsprechung aus 1991 festzuhalten sei. Der BFH hat damals aber die Frage in einem Urteil noch offengelassen. Nun aber hat er sie entschieden - und die alte Rechtsprechung aufgegeben.

Die Entscheidung des BFH erging zum WEG Stand 2007, ist aber auf die aktuelle Rechtslage übertragbar. Der BFH argumentierte so: Eigentümerin der Instandhaltungsrücklage ist die Wohnungseigentümergemeinschaft. Es fehlt daher bezüglich der Rücklage schon an einer Übertragung vom Verkäufer auf den Käufer. Diese wird aber von der Grunderwerbsteuer vorausgesetzt. Wirtschaftlich betrachtet kann man zwar einen Anteil an dieser Rücklage bilden, anknüpfend an den eingezahlten Beträgen des verkaufenden Miteigentümers. Und für bilanzierende Unternehmen ist dieser Wert sogar wichtig. Aber das ändert nichts daran, dass der Kauf des Teileigentums untrennbar mit dem Mitgliedschaftserwerb in der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zusammenhängt. Und die Mitgliedschaft begründet bezüglich der Instandhaltungsrücklage auch keine Ansprüche auf Auszahlung. Eine separate Übertragung eines Anteils an dem Vermögen der Gemeinschaft von einem ausscheidenden Mitglied auf ein eintretendes ist rechtlich nicht möglich. Der wirtschaftlich-rechnerische Anteil ist daher gar nicht separat verkehrsfähig. Damit kann man auch nicht mit zwei Preisen arbeiten - einem für den Grundstückskaufpreisteil, der der Grunderwerbsteuer unterliegt, und einem für den Ankauf von Verwaltungsvermögensanteilen der Gemeinschaft, der nicht dem Grunderwerb dient und daher nicht der Grunderwerbsteuer unterfällt. Instandhaltungsrücklagenanteile sind also nicht mehr mindernd heranziehbar.

Daher gilt: Vorsicht bei Kaufangeboten für Eigentumswohnungen, die eine Reduzierung der Grunderwerbsteuer durch gesonderte Vergütung für Rücklagenanteile u. ä. zu ermöglichen scheinen! Für den Erwerb von Teileigentum, also gewerblich zu nutzendem Sondereigentum, kann das aus erwerbssteuerlicher oder bilanzrechtlicher Perspektive sinnvoll oder nötig sein. Für Wohnungsnutzende entscheidend ist aber die Situation bei der Grunderwerbsteuer. Der BFH lehnt mit dem Urteil vom September 2020 eindeutig einen grundsteuermindernden Abzug von Instandhaltungsrücklagenanteilen ab. Die Begründung ist nicht auf Teileigentum beschränkt. An diese Rechtsauffassung müssen sich alle Finanzbehörden halten. Auch beim Erwerb von Wohnungseigentum.

Keine Schadensberechnung nach den fiktiven Mangelbeseitigungskosten mehr!

Kommentar zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.02.2018, Az.: VII ZR 46/17.


Die Klägerin macht Schadensersatz gegen die Beklagten geltend, die für das Einfamilienhaus der Klägerin die Ausführung von Naturstein-Fliesen und Abdichtungsarbeiten planten und ausführten. Die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruches bemisst die Klägerin nach den fiktiven Mangelbeseitigungskosten.

Das Landgericht spricht der Klägerin den begehrten Schadensersatzanspruch - in Anwendung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - zu.

Mit der Revisionsentscheidung ändert der Bundesgerichtshof indes seine bisherige Rechtsprechung!

Konnte der Auftraggeber einer Werkleistung seinen Schaden bislang auf zwei Arten bemessen: Angabe der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel oder alternativ: Geltendmachung der fiktiven Mangelbeseitigungskosten. Gilt dies mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.02.2018 nun nicht mehr.

Die - zumeist aufwendige und schwierige - Schadensbemessung nach der ersten Alternative, die die Bildung einer Vermögensbilanz erfordert, bleibt dem Geschädigten weiterhin offen. Daneben ermöglicht es der Bundesgerichtshof dem Geschädigten nun, lediglich das hergestellte mangelhafte Werk selbst mit dem geschuldeten mangelfreien Werk zu vergleichen und den Schaden anhand dieses Vergleiches zu bemessen. Konkret entscheidet der Bundesgerichtshof, dass der Schaden am mangelhaften Werk ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung unter Berücksichtigung des Minderwerts des Werkes wegen des Mangels durch das Gericht geschätzt werden kann. Maximalwert des mangelbedingten Minderwerts des Werkes ist danach die vereinbarte Vergütung. Weiter führt der Bundesgerichtshof aus, dass eine Schadensbemessung anhand der Vergütungsanteile vorgenommen werden kann, die auf die mangelhafte Leistung entfallen. Können diese nicht bestimmt werden, bleibt es bei der vorzunehmenden Schätzung.

Die Schadensberechnung wird für den Geschädigten damit schwieriger als bisher: Es ist nun nicht mehr möglich, die erforderlichen Mangelbeseitigungskosten - als Nettobetrag - geltend zu machen. Neben dem umständlichen Weg über die Darstellung einer Vermögensbilanz, die darüber hinaus noch die Schwierigkeit der Bestimmung des hypothetischen Werts der mangelfreien Sache und die Angabe eines tatsächlichen Wertes der mangelbehafteten Sache umfasst, wird der Geschädigte nunmehr auf eine Schätzung des an der Vergütung orientierten Minderwertes der mangelbehafteten Sache verwiesen.

Der Bundesgerichtshof entscheidet weiter, dass der Auftraggeber, der eine Mangelbeseitigung durchführen lässt, - wie bisher auch schon - die tatsächlichen Kosten der Mangelbeseitigung bis zur Grenze der Unverhältnismäßigkeit als Schadensersatz geltend machen kann. Außerdem kann der Auftraggeber, der den Mangel beseitigen lassen will, aber nicht mit den Kosten der Mangelbeseitigung in Vorauslage treten möchte, weiterhin gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 BGB Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung verlangen. Einen solchen Kostenvorschussanspruch spricht der BGH in dem vorbezeichneten Urteil nunmehr erstmals auch dem Auftraggeber eines Architekten zu.

Carolin Klüpfel, Rechtsanwältin
Nicolai Chalupsky, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Rechtsanwälte, Scholtissek und Krause-Allenstein
VPB-Netzwerkanwälte des VPB-Regionalbüros Hamburg

Was das Urteil konkret für private Bauherren bedeutet, haben wir hier kurz für Sie zusammengefasst.

Zusätzliche Leistung - höhere Kosten? Nicht immer!

Kommentar zur Entscheidung des Landgerichts Bonn vom 04.11.2015, Az. 30 O 2015.


Die Klägerin hatte für die Beklagte Werkleistungen ausgeführt. Neben den beauftragten Werkleistungen hatte die Klägerin andere Arbeiten vor Ort vorgenommen. Angeblich waren diese Arbeiten notwendig gewesen, um den Auftrag erfüllen zu können. Zudem behauptete die Klägerin, Mitarbeiter der Beklagten hätten diesen Arbeiten zugestimmt. Der Klägerin gelang es jedoch nicht, die angebliche Zustimmung der Beklagten zu den Arbeiten nachzuweisen. Das Gericht wies die Klage auf Zahlung von Werklohn daher ab. Die objektive Notwendigkeit der Arbeiten hatte nach Ansicht des LG Bonn nicht genügt, um einen Zahlungsanspruch der Klägerin zu begründen.

Diese Entscheidung reiht sich in eine Vielzahl von Entscheidungen zu dem Thema Vergütungspflicht bei Zusatzleistungen oder Nachträgen ein. Für die Bauherren ist die Entscheidung erfreulich, da jedenfalls nach dieser Entscheidung nicht beauftragte Leistungen auch nicht zu bezahlen sind. Um solche Streitigkeiten aber generell zu vermeiden, ist es sinnvoll, zusätzlich beauftragte Leistungen konkret zu besprechen, also insbesondere auch die Kosten, die für die Zusatzleistungen anfallen werden. Das Vereinbarte sollte dann auch schriftlich festgehalten werden.

Es gibt auch häufig Fälle, wo die Bauherren sogar einen Teil der Zusatzleistungen beauftragt, allerdings nicht in dem tatsächlich durchgeführten Umfang oder zu den in Rechnung gestellten Kosten. Kommt dann die Rechnung, möchten die Bauherren diese Leistungen natürlich nicht bezahlen und es kommt zum Rechtsstreit. Durch klare Regelungen und Absprachen kann man das vermeiden.

Dr. Alexander Hoff
Rechtsanwalt
VPB-Netzwerkanwalt des VPB-Regionalbüros Karlsruhe

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