Expertentipp am Mittwoch

VPB: Nutzen und Grenzen der Symptomtheorie des BGH

Bis zur Abnahme muss ein Unternehmen die Mangelfreiheit seines Werks beweisen. Private Bauherren sollten schon dann unabhängige Bausachverständige heranziehen.

BERLIN. Fast alle privaten Bauherren sind bautechnische Laien. Damit diese ihre Ansprüche auf ein mangelfreies Bauwerk effektiv geltend machen können, hilft ihnen die sogenannte Symptomrechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). „Bauherren müssen ihre Ansprüche nicht auf einen konkreten Mangel stützen, sie können stattdessen auf die sichtbaren Symptome wie Risse oder Feuchtigkeit am Bauwerk verweisen“, erläutert Peter Reinwald, Mitglied im Bundesvorstand des Verbands Privater Bauherren e.V. (VPB) und Regionalbüroleiter Marburg. Damit gelten alle baulichen Zustände, die für diese Erscheinung ursächlich sind, als vertragswidrig und nach Abnahme als mangelhaft gerügt. „Bis zur Abnahme sollten Bauherren nur die Symptome benennen“, rät Reinwald. So lasse sich eine möglicherweise falsche Ursachenzuordnung vermeiden. „Der Unternehmer könnte sich andernfalls darauf berufen, er habe die vorgegebene Ursache beseitigt.“

Auch im Prozess hilft die Symptomtheorie Bauherren bei der Darlegung eines Mangels. Diese Vorzüge haben aber auch Grenzen: Lediglich während der Herstellung – also vor Abnahme des Bauwerks – trägt ein Unternehmen die Beweislast für die Mangelfreiheit seines Werks. Ein Unternehmen tut bis dahin gut daran, einem gerügten Symptom zügig auf den Grund zu gehen und die Ursache, wenn sie in seinen Verantwortungsbereich fällt, zu beseitigen. Denn das muss es auf eigene Kosten tun – und das wird billiger, je schneller es handelt. „Private Bauherren sollten dennoch schon in diesem Stadium unabhängige Bausachverständige zur Kontrolle heranziehen“, sagt Reinwald. „Denn Laien erkennen längst nicht alle Mangelsymptome, die aber den Experten geläufig sind und die schon aus Erfahrung wissen, wann sie wo genau hinsehen müssen.“

Nach der Abnahme kehrt sich die Beweislast für Mängel um: Bauherren müssen nun im Streitfall beweisen können, dass ein Mangel bei Abnahme vorgelegen hat, der durch denjenigen Unternehmer zu verantworten ist, dem gegenüber er die Nachbesserung verlangt. „Das alleinige Stützen auf das Symptom birgt hier Risiken“, mahnt Reinwald. „Denn bei mehreren Gewerken, die durch verschiedene Vertragspartner ausgeführt wurden, ist oft nicht klar, welches etwa für die Feuchtigkeit im Putz ursächlich ist.“ Vor Erhebung einer Mängelklage sollte daher zur Klärung von Ursachen des Symptoms und deren Zuordnung zu einem Vertragspartner immer ein firmenunabhängiger Bausachverständiger herangezogen werden. Der BGH sieht in solch einer Beauftragung Mangelfolgeschäden – wenn sie anlässlich eines vom Laien nach Abnahme vorgefundenen Symptoms und nicht als Folge einer ohnehin schon vorsorglich erteilten baubegleitenden Qualitätskontrolle erfolgt. Steckt hinter dem Symptom also ein  Mangel, sind diese Gutachterkosten vom entsprechenden Unternehmen zu ersetzen.

Bei Vergleichen kann die Symptomtheorie sogar zum Boomerang werden: „Wer sich über ein Symptom wie Rissbildungen mit umfassender erledigender Wirkung vergleicht, schließt damit alle Ansprüche gegenüber seinem Vertrags- und Vergleichsvertragspartner aus, die auf den tatsächlichen Mängel-Ursachen fußen“, warnt Reinwald. „Beruhen die Risse nicht wie vermutet auf  Verarbeitungsfehlern im Putz, sondern haben sie statische Ursachen, hat das bei einem Schlüsselfertiganbieter zur Folge, dass deren teure Nachbesserung zu Lasten der Bauherrschaft geht.“ Daher sollte vor Vergleichen immer ein entsprechendes Sachverständigen-Gutachten Ursachen, Verantwortung und Auswirkungen eines Mangels klären.