Verbraucherschutz am Bau

Interview mit VPB-Präsident Dipl.-Ing. Thomas Penningh,
Leiter des VPB-Regionalbüros Braunschweig

Verbraucherschutz am Bau steckt noch in den Kinderschuhen

BERLIN – "Für den Verbraucherschutz am Bau gibt es noch viel zu tun", so der Präsident des Verbands Privater Bauherren (VPB) Thomas Penningh, nach dem Deutschen Baugerichtstag, der am Wochenende in Hamm stattfand. "Die Diskussion unter Experten war und bleibt wichtig, aber auch in Politik und Öffentlichkeit muss noch deutlicher werden, was private Eigenheim-Bauherren für den gesamten Wohnungsmarkt leisten!"

Antwort:
Der "private Bauherr" wird in der Politik nach wie vor häufig nur als Einzelperson wahrgenommen – und weitgehend ignoriert. Tatsächlich wohnen über 50 Prozent aller Deutschen im eigenen Heim! Unter Experten ist deren Bedeutung für den Wohnungsmarkt natürlich längst bekannt. Die Politik und die Öffentlichkeit haben allerdings oft noch nicht realisiert, wie wichtig dieser private Bauherr für unsere Wirtschaft tatsächlich ist.

Antwort:
Über 80 Prozent aller Wohnungen in Deutschland gehören privaten, also Laien-Bauherren. Sie stellen damit also den Löwenanteil des hierzulande benötigten Wohnraums zur Verfügung. Über 50 Prozent aller Deutschen wohnen im Eigenheim, das sind vor allem die Familien und Mehrpersonenhaushalte. Sie alle brauchen keine staatlichen Wohnprogramme. Im Gegenteil: Sie entlasten den Wohnungsmarkt. Jeder Bauherr, der spart und in die eigenen Wände zieht, macht eine Mietwohnung frei.

Antwort:
Das braucht er auch dringend: Seit Jahren warnt die Politik die Bürger davor, sich bei der Altersvorsorge auf die staatlichen Rentenkassen zu verlassen. Private Bauherren haben das gehört und nehmen die Warnung ernst. Sie sorgen vor. Für die meisten privaten Bauherren ist die eigene Immobilie der wichtigste Baustein ihrer Altersvorsorge.

Antwort:
Das ist eine interessante Frage, denn die privaten Bauherren sind keine Krösusse: Ein Drittel der Eigentümerhaushalte hat nur ein Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.500 Euro im Monat. Knapp die Hälfte der Eigentümerhaushalte verfügen über ein Haushaltseinkommen von unter 2.600 Euro netto im Monat. Sie können nur bauen, weil sie eisern sparen und auf andere Dinge verzichten.

Antwort:
Über 90 Prozent aller privaten Bauherren, die selbst einziehen wollen, bauen ein schlüsselfertiges Haus. Sie beauftragen also eine Firma mit der Planung und der Ausführung aus einer Hand.

Antwort:
Diese 90 Prozent genießen nur sehr eingeschränkte Verbraucherrechte. Es beginnt damit, dass immer mehr Kommunen ihr Bauland nicht mehr an private Bauherren verkaufen, sondern ihre Baugebiete sowohl durch private Unternehmen erschließen lassen als auch den Grundstücksverkauf mit einer Baubindung einigen wenigen privaten Unternehmern überlassen. Wohlgemerkt, wir sprechen hier nicht über Bauträger. Diese Firmen haben dann eine Monopolstellung. Sie diktieren ihre Bedingungen und Preise. Wer in dieser Kommune bauen will oder sogar muss, weil sein Arbeitsplatz da liegt, der muss die Bedingungen der Firma akzeptieren oder er bekommt kein Grundstück. Mehr kann der Bauherr dann nicht entscheiden. Ein Wettbewerb findet hier nicht mehr statt. Neben dem fehlenden Preiswettbewerb bewirkt dies natürlich auch ein Abnehmen an Qualität. Groß anstrengen muss der Unternehmer sich ja nicht mehr. Wir finden es völlig unverständlich, dass dieser wichtige Bereich für den deutschen Wohnungsmarkt bisher im Verbraucherschutz so stiefmütterlich behandelt wird.

Antwort:
Zunächst einmal der Begriff: "Schlüsselfertig" ist ein reiner Marketingbegriff, der in keinem Gesetz und keiner Verordnung vorkommt. Dem Laien suggeriert er sorgenfreies Bauen und bezugsfertiges Haus zum Festpreis. Das ist aber ein großer Irrtum! Wir wissen, dass viele Firmen in den Bauverträgen entscheidende Leistungen weglassen. Was aber nicht im Vertrag steht, muss extra bezahlt werden. Typische Dinge, die fehlen, sind zum Beispiel der Aushub und die Lagerung beziehungsweise Entsorgung desselben und anderes. Die Folge sind viele kleine Nachträge, die den Bauherren im Schnitt den Gegenwert eines Mittelklassewagens kosten. Das sprengt jede vernünftige Baufinanzierung.

Antwort:
Unbedingt! Eine detaillierte Bau- und Leistungsbeschreibung bringt Sicherheit. Sie lässt sich im Vorfeld technisch und juristisch prüfen – und sie muss eingehalten und umgesetzt werden. Das heißt, auch das Ergebnis lässt sich später daran messen. So lange es aber keine verbindlichen rechtlichen Vorgaben gibt, so lange haben schwarze Schafe leichtes Spiel!

Antwort:
Im Bereich des schlüsselfertigen Ein- und Zweifamilienhausbaus tummeln sich schon recht viele schwarze Schafe. Sie sind oft nur kurz am Markt. Viele werden von baufremden Verkäufern geführt, die selbst kaum in der Lage sind, ihr Heer von Billigsubunternehmern zu organisieren. Laien können das im Vorfeld nicht erkennen. Darunter leiden übrigens zunehmend die seriösen Baufirmen, die es ja durchaus gibt. Seriöse Unternehmer kalkulieren ihre Angebote realistisch, werden dann aber nicht beauftragt, weil die scheinbar zu teuer sind.

Antwort:
In der Tat: Die Baubranche hat im Branchenvergleich wenig Eigenkapital. Diese Unternehmen sind deshalb besonders insolvenzgefährdet. Etliche der Firmen, die heute im Schlüsselfertigsektor unterwegs sind, leben praktisch von der Hand in den Mund. Der Laie merkt das ohne Beratung in der Regel zu spät – und verliert sein Geld.

Antwort:
Die Zahl ist hoch: Pro Jahr schließen schätzungsweise knapp 90.000 private Bauherren mangelhafte Verträge ab, die sie gegenüber der Baufirma unangemessen benachteiligen. Bei einer qualitativen Stichprobenuntersuchung des Instituts Privater Bauherren ("Schlüsselfertig Bauen – Die Bauverträge mit privaten Bauherren in der Praxis") von 117 Bauverträgen verstießen alle untersuchten Verträge mindestens in einem Punkt gegen das AGB-Recht. Ganze 97 Prozent dieser Bauverträge wurden auf Grund der Schwere der Mängel als 'nicht empfehlenswert' bewertet – das entspricht rund 88.000 Wohnungen pro Jahr.

Antwort:
Nein, denn so wenig sich die Firmen Bauherrenwünsche in die Verträge hineindiktieren lassen, so wenig wollen sie sich am Bau auf die Finger schauen lassen. Immer mehr Bauherren beauftragen deshalb unabhängige Bausachverständige, wie etwa bei uns im VPB, die den Baufortschritt für sie kontrollieren und so die Qualität sichern. Das ist enorm wichtig. Der Bauherr will ja nicht nur ein mängelfreies Haus für sein Geld, sondern er muss ja auch etliche Verordnungen und Gesetze einhalten: die Baugesetze, die Energieeinsparverordnung, die Fördermittelrichtlinien, etwa bei KfW-Krediten.

Antwort:
Nein, das kann er als Laie technisch nicht prüfen. Aber er kann es an unabhängige Sachverständige, wie beispielswiese die VPB-Berater, delegieren. Dazu muss er allerdings prüffähige Unterlagen haben. Häufig legen Bauunternehmer die relevanten Unterlagen wie Bauplanung, Statik, Energieberechnung nach EnEV oder den Nachweis der Einhaltung der Fördermittelrichtlinien gar nicht vor. Oder sie übergeben die Unterlagen erst nach der Bauabnahme, das ist nach geltendem Recht auch so möglich.

Antwort:
Ja, dann können Sie nicht mehr in Wände und unter Putz schauen, ohne dass Sie Bauteile wieder öffnen – und dabei zerstören.

Antwort:
Genau. Die Baubegleitende Qualitätskontrolle durch unabhängige Sachverständige ist unentbehrlich, um Schäden zu verhindern: Die Mängelquote sinkt. Milliarden an Beseitigungskosten können gespart werden.

Antwort:
VPB-Berater entdecken – und verhindern – bei laufenden Baukontrollen Mängel und Probleme pro Bau im Schnitt von 15.000 Euro. Das sind die Kosten, die entstehen würden, wenn der Mangel nicht rechtzeitig entdeckt worden wäre und beseitigt werden müsste. Also die Kosten, auf denen ein Bauherr ohne Baubegleitung sitzen bleibt. Bei rund 100.000 Neubauten pro Jahr kommen wir auf 1,5 Milliarden Gesamtschaden. Die DEKRA Real Estate Expertise GmbH geht in ihrem Bericht "Baumängel an Wohngebäuden" 2008 ebenfalls von rund 1,4 Milliarden Euro jährlich aus (für die untersuchten Jahre 2006 – 2007).

Antwort:
Um die Ziele zu erreichen, muss energieeffizient gebaut werden. Dabei liegt der Focus auf der Wärmedämmung und Luftdichtheit. Solche Bauteile können aber nur im vorgeschriebenen Maß Energie sparen, wenn sie richtig geplant und später auch bautechnisch korrekt eingebaut werden. Wieder muss der Bauherr das nachweisen und wieder haftet er für die richtige Umsetzung. Dazu braucht er also auch wieder einen Experten, der die Aufgabe in seinem Auftrag übernimmt. Und der Experte benötigt vom Bauherrn die relevanten Bauunterlagen, damit er die Energiesparmaßnahmen erst prüfen und später auf der Baustelle kontrollieren kann. Noch einmal: Solange der Gesetzgeber dem Bauherrn nicht das Recht auf seine Bauunterlagen zusichert, sind die Klimaziele Wunschdenken.

Antwort:
Bauverzögerungen sind nicht selten. Etwa, wenn sich wegen fehlerhafter Ausführungen Termine verschieben. Der GAU für Bauherren ist allerdings die Insolvenz der Baufirma. Und mit ihrer im Branchenvergleich deutlich schlechtesten Eigenkapital-Stärke sind manche mittelständischen Unternehmen der Baubranche besonders insolvenzgefährdet. Das belegen die Erhebung von Creditreform zu Eigenkapital-Stärken im deutschen Mittelstand. Wir brauchen hier also besondere Schutzmechanismen für private Bauherren.

Antwort:
Ja, aber zum einen reichen sie nicht aus, zum anderen werden sie ja nicht immer automatisch angeboten. Der Bauherr sollte sie gleich bei Vertragsabschluss verlangen und im Vertrag festschreiben lassen. Die aktuelle Situation ist aber die: Es gibt auf dem Bausektor im Augenblick auf der lokalen Ebene eines Baugebiets oft wenig Konkurrenz. Der Markt funktioniert hier einfach nicht. Wenn der Bauherr mit unbequemen Wünschen kommt, dann heißt es eben: "Mit Ihnen bauen wir nicht."

Antwort:
Ja, genau das heißt es. Meist ist der Bauherr wegen seines Berufs in der Ortswahl aber eben nicht frei und kann nicht auf einen anderen Hausanbieter ausweichen, wenn die Grundstücke in einem Baugebiet zum großen Teil an Bauunternehmen gebunden sind. Erst wenn die Baufirmen gesetzlich zu bestimmten Standards verpflichtet werden, und zwar ohne Hintertürchen, dann hat der Bauherr tatsächlich echte Verbraucherrechte.

Antwort:
Ja, wir haben da im Augenblick ein Stück Wildwest. Wir brauchen in jedem Fall mehr Markt: Hier sind vor allem die Kommunen gefragt. Die Kommunen haben unserer Meinung nach eine Fürsorgepflicht. Schließlich geht es um ihre Bürger. Sie sollten deshalb ihr Bauland wieder direkt vermarkten oder durch Auflagen an Entwickler dem Bauherrn die Möglichkeit geben, mit einer ihm genehmen Firma zu bauen, die er frei wählen kann.

Antwort:
Nein. Hier brauchen wir Regelungen zur Absicherung im Konfliktfall. Ein Problem sind hier zum Beispiel lange Baustillstände und zermürbende, endlos lange Gerichtsverfahren. Konflikte müssen aber schnell beigelegt werden. Kein Bauherr kann jahrelang auf die Beseitigung von Mängeln warten beziehungsweise auf einen Urteilsspruch in so einer Sache. Das hält finanziell niemand durch.

Antwort:
Gerne. Was wir im Schlüsselfertigbau brauchen, sind vier Dinge:

  1. Vor Vertragsabschluss muss sichergestellt sein, dass es eine transparente Bau- und Leistungsbeschreibung gibt, damit die Bauherren sehen, was im vermeintlichen Festpreis tatsächlich enthalten ist und was nicht.
     
  2. Um den Erfolg der Energiewende nicht zu gefährden und dem Bauherrn Sicherheit für die Leistungen zu geben, für die er später haftet (Statik, EnEV etc.), muss der private Bauherr auch im Schlüsselfertigbau das Recht haben, Planunterlagen durch Experten einsehen und kontrollieren zu lassen – und zwar während der gesamten Bauphase.
  3. Angesichts der hohen Mängelquote im schlüsselfertigen Einfamilienhausbau, die mit einer hohen Insolvenzrate bei den Anbietern einhergeht, braucht der Bauherr das Recht auf eine realistische Sicherheitsleistung.
     
  4. Schließlich sollten die Gemeinden Bauland direkt an private Bauherren vergeben oder Grundstücksvergaben so steuern, dass der Wettbewerb zwischen den Anbietern nicht verhindert wird und der Käufer sich den Vertragspartner für sein Haus selbst aussuchen kann.

Dieses Interview wurde am 30. Mai 2014 aktualisiert.