Bauabnahme - was Bauherren dabei beachten müssen

Ein Interview mit Bausachverständiger
Dipl.-Ing. Ulrich Schiffler, VPB Bremen

Die Bauabnahme zählt zu den wichtigsten Etappen des Bauprojekts. Wer sich gut darauf vorbereitet, hat beste Chancen, das Bauprojekt positiv abschließen zu können. Doch warum ist die Bauabnahme überhaupt so wichtig, welche Fehler können dem Bauherrn dabei unterlaufen und wie lassen sich Baumängel erkennen? Diese Fragen beantwortet der Bausachverständige Dipl.-Ing. Ulrich Schiffler im VPB-Experteninterview.

Antwort:
Auf dem Bau wird mit dem Begriff "Abnahme" leider immer etwas fahrlässig umgegangen. Häufig wird schon jede Besichtigung, die Bauherrschaft, ein Architekt oder ein Sachverständiger ausführt, so bezeichnet. Wir müssen daher zunächst wegen der großen Bedeutung klar unterscheiden zwischen: behördlichen Abnahmen, normalen Besichtigungen, technischen Abnahmen und rechtsgeschäftlichen
Abnahmen.

  • Behördliche Abnahme:
    Im Einfamilienhausbau kaum noch üblich, bei größeren Objekten schon. Die Baubehörde schickt einen Mitarbeiter oder eine bestellte Person, z.B. einen Prüfingenieur, um festzustellen, dass konstruktive Bauteile, der Rohbau oder das fertige Bauvorhaben den öffentlich-rechtl. Bauvorschriften genügt, soweit dies augenscheinlich ist, zum Beispiel der Landesbauordnung, den Ausführungsbestimmungen dazu, den bauaufsichtlich eingeführten Normen und Regelwerken, der Energieeinsparverordnung usw. Die Behörde stellt dann entsprechende Abnahmescheine Abnahmescheine aus.

    Wichtig: die Behörde oder ihr Beauftragter prüfen nicht, ob die Bauherrschaft bekommt, was sie bestellt hat! Das ist im Gegensatz zum öffentlichen Recht sogenanntes Zivilrecht.
     
  • Normale Besichtigungen:
    Sie dazu dienen, den Bautenstand festzustellen oder aber eine ausgeführte (Teil-)Arbeit in Augenschein zu nehmen.
     
  • Technische Abnahmen:
    Diese werden von der Bauherrschaft oder ihrem fachlicher Berater durchführt, um zu einem sinnvollen Zeitpunkt Mängel festzustellen und aufzulisten.
     
  • Rechtsgeschäftliche Abnahmen:
    Das sind die für die Bauherrschaft die Bedeutsamsten. Es handelt sich um einen rechtlichen Akt, bei dem die Bauherrschaft erklärt, dass das bestellte Werk – ggf. mit unwesentlichen Mängeln – fertiggestellt, zu ihrer Zufriedenheit ausgeführt ist und von ihr übernommen wird. Diese Abnahmehandlung kann die Bauherrschaft ohne negative Folgen nur verweigern, wenn das Werk – also das Bauvorhaben – mit wesentlichen Mängeln behaftet ist.

Antwort:
Wesentliche Mängel sind:

  • wenn das Werk vom Bestellten wesentlich abweicht, das Haus z.B. ein Geschoss zu wenig hat, ein Stück zu kurz ist, eine deutlich falsche Dachneigung hat, infolge von Fehlern in der Planung oder Ausführung nicht das bestellte KfW-40-Haus geworden ist und ähnliches.
     
  • wenn das Werk einen rechtlichen Mangel hat, also zum Beispiel gegen die Baugenehmigung errichtet worden ist.
     
  • wenn technische Mängel vorliegen, die – einzeln oder im Zusammenwirken – verhindern, dass das Bauwerk bestimmungsgemäß genutzt werden kann, zum Beispiel wenn der Keller nicht wasserdicht ist, wenn es (noch) kein WC im Hause gibt, wenn die Geschosstreppe fehlt, wenn die zum Vertrag gehörenden Hausanschlüsse fehlen, wenn die Baufeuchte noch so hoch ist, dass keine Küche eingebaut werden kann usw., aber auch, wenn so viele kleinere Mängel vorliegen, dass allein vom nötigen Handwerkereinsatz eine Nutzung noch nicht zumutbar ist.

    Daher sollte der rechtsgeschäftlichen immer eine technische Abnahme vorausgehen, damit das Ergebnis zum Inhalt des Abnahmeprotokolls gemacht werden kann. Das kann, muss aber natürlich nicht an verschiedenen Tagen geschehen.

    Zwar müssen bei der Abnahme nur "bekannte" (das meint auch "offensichtliche") Mängel protokolliert werden; es ist aber aus mehreren Gründen sinnvoll, einen Fachmann hinzuzuziehen, der beurteilen kann, ob vorhandene Mängel als wesentlich zu beurteilen sind und die nötige Routine hat, um erkennbare Mängel weitgehend zu erfassen. Denn Letzteres bedeutet, dass die Bauherrschaft auch mit der Nachbesserung bald durch ist und es bedeutet weiter, dass Streitigkeiten, die entstehen, weil von der Bauherrschaft und nach Abnahme erkannte Kratzer, Fehlstellen usw. vom Bauunternehmer der Ingebrauchnahme zugeordnet wurden.

Antwort:
Die von der Bauherrschaft ausgesprochene rechtsgeschäftliche Abnahme hat mehrere Wirkungen:

  1. Die Gefahr des so genannten "zufälligen Untergangs" der ausgeführten Leistungen, zum Beispiel durch Sturm, Brand, Diebstahl, Vandalismus usw. geht vom Bauunternehmer auf die Bauherrschaft über. Vom Zeitpunkt der Abnahme an ist es ihre Sache, das Objekt zu versichern (es sei denn, sie hätten sich vertraglich gegenüber dem Bauunternehmer verpflichtet, bereits vorher eine Versicherung zu unterhalten).
     
  2. Bei Streitigkeiten kehrt sich die Beweislast um. Vor Abnahme muss der Bauunternehmer im Zweifelsfall beweisen, dass er richtig geleistet hat. Nach Abnahme muss die Bauherrschaft beweisen, dass der Bauunternehmer einen Fehler gemacht hat beziehungsweise, dass der festgestellte Kratzer bereits vor Abnahme vorhanden war.
     
  3. Die Gewährleistungsfristen beginnen zu laufen. Das gilt nicht für protokollierte Mängel. Für die entsprechenden Zustände beginnen die Fristen immer erst mit deren Beseitigung.
     
  4. Meist werden durch die Abnahme auch Zahlungsverpflichtungen ausgelöst.

Noch ein Hinweis:
Etwa vereinbarte Vertragsstrafen müssen bei Abnahme ausdrücklich vorbehalten werden. Das gilt auch, wenn noch gar nicht klar ist, ob sie geltend gemacht werden können oder sollen. Tut man das nicht, ist die Vertragsstrafe jedenfalls perdue.

Antwort:
Die häufigsten Fehler sind:

  • Durch Unkenntnis der Regeln wird versehentlich abgenommen.
     
  • Gerade bekannte Mängel werden nicht protokolliert, weil es darüber ja schon Absprachen, Schriftverkehr oder ähnliches gibt.
     
  • Es wird nach "Mängeln" (Falsches) und "Restarbeiten" (Fehlendes) differenziert. Eine solche Differenzierung gibt es bei Abnahmen nicht (mehr); dann ist auch alles Fehlende Mangel, selbst wenn das Fehlen abgesprochen ist ("Baut mir den Treppenbelag bitte erst nach Einzug ein, damit er nicht beschädigt wird!").
     
  • Der Unternehmer weigert sich, Zustände zu protokollieren, weil er sie für nicht mangelhaft hält. Das ist unrecht. Ist ein Zustand strittig, so ist dieser und die voneinander abweichende Beurteilung der Parteien im Protokoll festzuhalten.
     
  • Es wurden im "Schnellschuss" Kompromisse verabredet, weil der Bauunternehmer Zustände nicht so abstellen will, wie eigentlich geschuldet, also zum Beispiel finanzielle Abgeltungen oder Behelfsreparaturen.
     
  • Es wird abgenommen, obwohl noch wesentliche Mängel vorliegen. Die Abnahmewirkungen treten damit zu früh ein.
     
  • Es wird abgenommen, obwohl der Bauunternehmer wesentliche Nachweise darüber, dass die Leistung in Ordnung ist, noch nicht vorgelegt hat, also zum Beispiel Wärmeschutznachweis, Schallschutznachweis, behördliche Abnahmescheine usw.

Antwort:
Eigentlich hat auch der Bauunternehmer ein Interesse an der förmlichen Abnahme. Danach ist er in vielen Punkten ja deutlich besser gestellt und das sollte von der Bauherrschaft auch aus seiner Sicht nicht mehr infrage gestellt werden können. Trotzdem enthalten viele Bauverträge Passagen z.B. des Inhalts, dass mit Einzug eine mängelfreie Abnahme verbunden sein soll. Das ist allerdings im Sinne des AGB-Rechts fragwürdig. Trotzdem ist der Bauherrschaft anzuraten, den Vertrag so zu fassen, dass immer eine förmliche Abnahme stattfinden muss.

Antwort:
Der Begriff "erheblich" ist leider unklar. Ich will den deswegen anders ausdrücken:

  • Der Anteil an Bauvorhaben, bei dem die Abnahme wegen "wesentliche Mängel" berechtigt abgelehnt werden kann, liegt nach meiner Erfahrung im niedrigen einstelligen Prozentbereich.
     
  • Der Anteil von Bauvorhaben, die zwar keine wesentlichen, aber schon gewichtige und/oder viele Mängel aufweisen, liegt nach meiner Erfahrung bei etwa 30 Prozent. Dabei spielt die Qualität des Bauunternehmens eine große Rolle; es spielt auch eine Rolle, ob die Bauausführung von einem Architekten oder Sachverständigen begleitet wurde. Zum einen werden dann schwerwiegende Mängel schon früher erkannt und abgestellt, wenn dies noch mit erträglichen Kosten möglich ist, zum anderen scheinen die Handwerker auch von vornherein qualitätsbewusster zu arbeiten, wenn sie von einer fachmännischen Kontrolle ausgehen müssen.
     
  • Die Anzahl von Objekten, die gar keine Mängel aufweisen, ist sehr nahe an Null.

Antwort:
Nach meiner Erfahrung nimmt die Mangelhaftigkeit zu. Das hat mehrere Gründe:

  1. Etwa um 1900 herum gab es auf dem Bau eine einstellige Zahl üblicher Baustoffe. Jeder Handwerker kannte nicht nur die Eigenschaften seines eigenen Materials, sondern auch die, die der Kollege mit dem anderen Beruf verwendete. Heute gibt es eine an unendlich grenzende Zahl von Stoffen, Zubereitungen und Konfektionierungen. Selbst der Fachhandwerker hat in seinem eigenen Bereich kaum noch eine übersicht. Die Baustoffindustrie schüttet die am Bau Beteiligten täglich mit neuen "Zaubermittelchen" zu, von denen niemand weiß, wie sie sich in der Baupraxis und auf Dauer verhalten. Die Ausbildung der Fachhandwerker kommt der Flut neuer Baustoffe nicht nach. Das ist auch kaum möglich.
     
  2. Verschärfend kommt aber noch hinzu, dass die Handwerker sich neuerdings fachübergreifend organisieren. So dürfen Zimmerer inzwischen Dachdeckerarbeiten ausführen und umgekehrt. Trockenbau macht sowieso jeder, der einen Akkuschrauber halten kann. Schlechtere Ausbildung und größeres Fachgebiet = Zielrichtung Katastrophe!

    Die Eigenüberwachung der Firmen funktioniert noch meiner Erfahrung kaum noch. Die Mitarbeiter werden schon mit zu geringen Informationen zur Baustelle geschickt. Ein Vorarbeiter oder Polier existiert kaum noch. Der Chef kommt höchstens dann, wenn es schon brennt. Das hat natürlich etwas mit Preisdruck zu tun und mit der Notwendigkeit, "unproduktive" Beschäftigungen auf ein Minimum zu reduzieren. Und das hat wiederum viel mit dem Generalunternehmerwesen zu tun, bei dem ein Hauptunternehmer alle Leistungen einkauft, die er nicht mit seinem eigenen Betrieb erbringen will und die Preise der Nachunternehmer dann soweit nach unten drückt, dass er seine Geschäftsunkosten über hat, aber am Markt noch mit Erfolg verkaufen kann.

Antwort:
Die "Hitliste" der Mängel schwankt immer ein bisschen, je nach Architekturmode und regionalen Besonderheiten. "Dauerbrenner" sind bei uns:

  • Anschlusshöhen Bauwerk/Gelände
  • Balkone und Dachterrassen
  • Luftdichtheit von Dächern und Holzhäusern
  • Fenstereinbau
  • Schallschutz, insbesondere bei der Haustechnik
  • Wärmeschutznachweise

Antwort:
Ja, leider sehr oft. Es sei denn, die Bauherrschaft hat entsprechende Werklohnteile einbehalten. Dazu ist sie berechtigt. Oder sie hat eine Vertragserfüllungsbürgschaft. Daher ist es sehr sinnvoll, die Bauausführung von einem selbst bestellten Fachmann begleiten zu lassen, der nicht nur rechtzeitig Mängel feststellt, sondern auch dazu beraten. kann, welcher Betrag denn bis zu deren Beseitigung einbehalten werden sollte.

Antwort:
Ich glaube, es geht Ihnen nicht nur um Bauträger (zur Klarstellung: der ist eigentlich Bauherr; er baut auf eigenem Grundstück und auf eigene Rechnung und verkauft danach die fertige Immobilie, meist Reihenhäuser oder Eigentumswohnungen), sondern auch um Bauunternehmer und hier wiederum erstrangig Totalunternehmer (Planung und alle Bauleistungen aus einer Hand auf fremdem Grundstück) und Generalunternehmer (alle Bauleistungen aus einer Hand auf fremdem Grundstück).

Folgende Schritte sind dringend zu empfehlen:

  1. Vertragsberatung Durchsicht aller Vertragsunterlagen vor Unterschrift (also auch der Pläne und Beschreibungen) mit sachverständiger Beratung zur Vermeidung von Fallen technischer und rechtlicher Natur, ggf. in Zusammenarbeit mit einem Fachanwalt für Baurecht. Dabei wird auch die Absicherung des Baugeldes durch korrekte Zahlungspläne und/oder Bürgschaften behandelt.
     
  2. Sachkundige Baubesichtigung bei bestimmten verabredeten Bauzuständen mit schriftlichen Berichten. Die Bauzustände hängen von der Bauart des Objektes ab. Je nachdem sind drei bis fünf Besichtigungen sinnvoll. Dabei ist die Begleitung der Technischen Abnahme eingeschlossen. Das wird vom Verband Privater Bauherren bundesweit angeboten.

Ergänzende Informationen finden Sie u.U. hier:
Bauvertrag - Bauberater - Bausachverständiger - Verbraucherverband - Baufachleute